Charakterstark und gut zu mischen
Benjamin Herzog Richard Strauss’ Concertino erzählt eine Art ‹Beauty-and-the-Beast›-Geschichte. Strauss sprach von einem Bären und einer Prinzessin. Seht Ihr das hier auch so: schöne Klarinette, tollpatschiges Fagott?
Rossana Rossignoli Zumindest in diesem Stück: ja. Aber das Fagott kann auch viel süsser und nostalgischer sein als eine Klarinette. Auf jeden Fall werde ich es geniessen, einmal eine Prinzessin zu sein.
Benedikt Schobel Am augenfälligsten ist das sicher ganz am Anfang, wo die Klarinette diese wunderbaren lyrischen Kantilenen hat und das Fagott die Idylle dann brüsk im tiefen Register unterbricht. Spätestens im romantischen 2. Satz komme ich dann aber auch melodiös auf meine Kosten.
BH Und im echten Orchesterleben: Ist die Klarinette immer die ‹Prinzessin› und das Fagott der ‹Bär›?
RR Das Schöne an unseren Instrumenten ist, dass sie alles sein können! Und das ist das Interessante an unserem Beruf. Den Klang, den Charakter zu finden, der zu dem jeweiligen Stück passt. Manchmal werden wir sogar aufgefordert, hässlich zu klingen. Ich werde mich immer an Schostakowitschs 15. Sinfonie erinnern, als der Dirigent zu mir sagte: «Hier bist Du der Teufel!»
BS Natürlich gibt es Stereotype über Instrumente, aber gute Komponisten bedienen sie nur bis zu einem bestimmten Grad. Wäre das Fagott immer nur tapsig, hätte Le sacre du printemps von Strawinsky nicht diesen wunderbaren Beginn. Und wären Klarinetten nur lyrisch, würde Strauss’ Protagonist im Till Eulenspiegel nie hingerichtet.
BH Das Ganze kann man sich auch als Katz-und-MausSpiel vorstellen oder besser noch: als ‹Szenen einer Ehe›. Richard Strauss hat ja öfters Autobiografisches in seine Musik einfliessen lassen. Wie seht Ihr das?
RR Das stimmt, diese Themen tauchen in seiner Musik immer wieder auf. Der Dialog von Klarinette und Fagott im Concertino spiegelt aber auch genau die Beziehung wider, die Benedikt und ich haben. Wir sind sehr gute Kollegen und Freunde: ein perfektes Bühnenpaar. Wir sind uns oft einig und wollen beide Recht haben.
BS Das war tatsächlich ein Thema, das Strauss immer wieder beschäftigt hat, wie man in der Sinfonia Domestica oder in der Oper Intermezzo hören kann. Der Vergleich bietet sich hier natürlich auch an, mit zwei anfangs sehr unterschiedlichen Charakteren, die sich über das Werk hinweg immer mehr annähern und schätzen lernen.
BH Das Schöne: Am Schluss finden die beiden ja zusammen, Harmonie im Rondo-Satz! Harmonieren Klarinette und Fagott denn auch technisch? Ist es einfach, jeweils mit dem/der anderen zu spielen?
RR Klarinette und Fagott haben ein Timbre, das sich sehr gut mischt. Es gibt viele gemeinsame Passagen. Aber genauso oft werden diese beiden Instrumente von Komponisten gewählt, um sehr unterschiedliche Charaktere zu verkörpern.
BS Wir sitzen ja auch im Orchester direkt nebeneinander. Klarinette mit Fagott ist eine oft gewählte Klangfarbe von vielen Komponisten. Die beiden Instrumente mischen sich gut, aber behalten dabei ihren Charakter.
BH Und wie harmoniert Ihr persönlich?
RR Es gibt mehr als einen Grund, warum ich glücklich bin, im Sinfonieorchester Basel zu sein, aber Benedikt ist sicher einer der ersten. Es gibt viel Verständnis zwischen uns. Wir schauen uns oft nur an, um zu verstehen, was wir tun sollen. Und dann − ob bei Proben oder Konzerten − haben wir immer eine Menge Spass!
BS Eine technisch so ausgereifte und musikalisch so berührende Kollegin zu haben, schätze ich als grösstes Glück in meinem Beruf. Nach vierzehn Jahren reicht es oft schon, dass Rossana auf eine Stelle zeigt und sagt: «Lass uns hier etwas Spezielles machen», und ich weiss beim ersten Versuch, was sie sich vorstellt.
Interview: Benjamin Herzog