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Franziskus Theurillat

Wir sind auch in dieser Zeit der Öffentlichkeit verpflichtet …

Im Gespräch mit Franziskus Theurillat, Orchesterdirektor des SOB

 

Wie sieht Ihr Alltag als Orchesterdirektor aus? Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben?

Neben den gewöhnlichen Arbeiten wie das Bearbeiten von Mails usw. ist mein Alltag im Moment sehr geprägt vom Lesen von News, neuen wissenschaftlichen Kenntnissen und Studien und den immer wieder veränderten Bestimmungen rund um Corona, von Kontakten mit Behördenvertretern, Journalisten, Orchestermitgliedern usw. 

Ein weiteres Feld ist die Beschäftigung mit vertrags- und arbeitsrechtlichen Fragen. Dazu gehören im Moment auch die Urheberrechte beim Streamen von Konzerten, aber auch die Anpassung unseres Gesamtarbeitsvertrages aus den Jahre 2009, der nicht mehr aktuell ist, ist ein grösseres Projekt.

Darüber hinaus habe ich auch als Vizepräsident des Verbands Schweizerischer Berufsorchester (orchester.ch) viele koordinierende Aufgaben, gerade auch jetzt mit der Lancierung eines Konzeptes, das wir in Basel entwickelt haben, das sogen. «Basler Modell», das inzwischen in Bundesbern in aller Munde ist.

Es ist alles viel gedrängter und kurzfristiger als vor Corona. Wir haben normalerweise einen Planungshorizont von zwei bis drei Jahren. Aktuell «hangeln» wir uns von Monat zu Monat. Dauernd erhalten wir neue Vorschriften, wir sind stetig am Anpassen. Es ist eine sehr spannende aber auch eine unglaublich ermüdende und herausfordernde Zeit.

 

Und was gefällt Ihnen dann ganz Besonders in Ihrer Arbeit?

Ich kann nicht sagen, was ich am liebsten mache. Sicherlich gefällt mir die Vielfältigkeit der Arbeit, wo man das Know-how aus vielen verschiedenen Gebieten mitbringen muss. Neben dem Fachwissen, das man einbringen kann, muss man sich – wie ich schon erwähnt habe – mit vielen Fragen und Themen aus den verschiedensten Gebieten wie Recht, Verträgen, Personalführung, Planung usw. auseinandersetzen. Selbstverständlich ist auch der Kontakt mit den Orchestermusikern und allen anderen Mitarbeitern für mich sehr wichtig und anspruchsvoll.

 

Muss man eigentlich Musiker sein, um Orchesterdirektor zu werden?

Ohne Musikkenntnisse steht man in dieser Position auf verlorenen Posten. Meiner Meinung nach kann man ein Orchester nur leiten, wenn man selbst einmal Orchestermusiker war. Mir hilft es sehr, dass ich zwölf Jahre lang als Hornist in Orchestern, zuletzt im SOB, gespielt habe. Man weiss so, was die Sorgen, die Belastungen aber auch die Freuden der Musikerinnen und Musiker sind. Man versteht sie. Selbstverständlich muss man aber auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse haben. Ich habe ja auf dem zweiten Bildungsweg auch noch Betriebswirtschaft studiert.

 

Wie kam es dazu, dass Sie als Orchestermusiker die Leitung des Orchesters übernommen haben?

Die Entscheidung, die Leitung zu übernehmen, war bei mir überhaupt nicht gesucht. Ich bin sehr jung ins Orchester gekommen und mir war klar, dass ich irgendwann noch etwas anderes machen möchte. Ich konnte mir damals gut vorstellen, auch einmal etwas anderes zu tun. Als ich 36 Jahre alt war, bot sich die Gelegenheit den Posten des Orchesterleiters zu übernehmen. Diese Berufsveränderung kam eigentlich zu früh, aber ich habe die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Im gegenseitigen Einvernehmen mit der Orchesterstiftung haben wir eine zweijährige Probezeit abgemacht. Und aus dieser Probezeit ist dann eine Festanstellung geworden. Für mich war diese Entscheidung nicht einfach, aber irgendwann muss man im Leben auch solche Entscheidungen treffen. Mein Horn habe ich noch nicht ganz weggelegt. Privat spiele ich hin und wieder noch mein Instrument.

 

Das Orchester steht auch in dieser Corona-Zeit nicht still …

Die grosse Herausforderung für uns ist es auch in dieser Zeit mit unserem Publikum in Kontakt zu bleiben. Als Berufsorchester dürfen wir arbeiten und gemeinsam proben. Konzerte mit Publikum sind aber nicht erlaubt. Es gibt Orchester und Theater, die ihren Betrieb eingestellt haben und warten, bis Publikum wieder zugelassen ist. Ich bin klar der Meinung, dass dies der falsche Weg ist: Zum einen erhalten wir öffentliche Gelder und ich sehe darin eine Verpflichtung mit diesem Geld etwas zu machen und der Öffentlichkeit auch etwas zurückzugeben. Zum andern gibt es einige Möglichkeiten auch in dieser Zeit mit dem Publikum in Kontakt zu bleiben. Beispielsweise nehmen wir in dieser Woche für unser Saint-Saëns-Projekt die erste Aufnahme auf. Kameraleute nehmen auf und wir werden dann unsere Abonnenten und den Freundeskreis anschreiben, wann und wo die Aufnahme gestreamt wird. Vor zwei Wochen war die renommierte Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla bei uns. Normalerweise ist sie schwer zu engagieren, wie haben jetzt die Gelegenheit zur Zusammenarbeit genutzt. Das Konzert war in einem Audio-Stream schon hörbar, Mitte März streamen wir das Konzert mit Marek Janowski sogar audiovisuell, übrigens zum ersten Mal über die Streaming-Plattform Idagio.

Das nächste Projekt ist «Basel Composition Competition» zusammen mit dem Basler Kammerorchester und der Sinfonietta. Danach folgt das Projekt «Harmonie» unter der Leitung von Marek Janowski, wie eben erwähnt. Beide Konzerte werden als Streams im Internet gezeigt.

 

Hinterlässt die Corona Spuren?

Natürlich leiden Musikerinnen und Musiker, wenn sie keine öffentlichen Konzerte geben können, wenn also das Publikum fehlt. Unsere Orchestermusikerinnen und Musiker sind Berufsmusiker und arbeiten und üben schon während der gesamten Corona-Zeit hoch professionell. Und trotzdem! Es schlägt schon aufs Gemüt, wenn wir ein Projekt mit einem tollen Dirigenten planen, die Musikerinnen und Musiker mit dem Einstudieren beginnen und dann die Mitteilung erhalten, dass der Künstler aus seinem Land nicht ausreisen kann. Dann kommt ein neuer Dirigent oder Dirigentin mit einem neuen Programm und das Geübte kann unbenutzt weggelegt werden. Das Hin und Her schlägt stark auf den energetischen Haushalt, auf die Psyche von uns allen.

 

Haben Sie in den letzten Wochen etwa Spezielles mit dem Orchester erlebt?

Ja, ich hatte das Privileg bei der Haupt- und Generalprobe der Traviata im Stadttheater dabei zu sein. Die Traviata ist vollständig einstudiert, die Premiere findet allerdings erst in der nächsten Saison statt. Die Generalprobe war schon sehr speziell, da im Saal doch einige Zuschauerinnen und Zuschauer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Theaters waren. Die Atmosphäre war ganz speziell, anders als bei den Aufzeichnungen der Streaming-Konzerte. Es war eine ganz merkwürdige Stimmung auch deswegen, weil trotz hervorragender Gesangssoli und tollem Orchesterspiel nicht einer der Anwesenden applaudiert hatte. Totenstille, etwas ganz Besonderes!

 

Eine Schwierigkeit wird wohl sein, die Leute nach einer so langen Zeit wieder in den Konzertsaal zu holen. Wie sehen Sie das?

Wir haben zum Glück sehr viele Abonnenten. Erstaunlicherweise haben nur eine Handvoll das Abo währender der Pandemie gekündigt. Wir können also davon ausgehen, dass die Leute alle wieder kommen. Wir bekommen auch immer wieder mal Zuschriften von Abonnentinnen und Abonnenten, dass sie sich sehr freuen, wenn es wieder Konzerte geben wird. Wir gehen davon aus, dass unsere Abonnentinnen und Abonnenten kommen werden, wenn das wieder möglich ist. Orchester mit wenig Abonnenten müssen wohl viel mehr investieren, um bei der Öffnung den Konzertsaal wieder zu füllen. Aber auch wir pflegen unsere Abonnenten. Wir machen die erwähnten Streaming-Angebote, bieten CD’s an, verschicken Newsletters und informieren über unsere Arbeit. Wir versuchen so das interessierte Publikum bei Laune zu halten.

 

Blicken wir noch etwas in die Zukunft.

Angst für das Orchester habe ich nicht. Eher schaue ich mit etwas Besorgnis in die Zukunft. Auch in der Nach-Corona-Zeit werden wir uns mit der Sicherheit zu einigen Themen hinter der Bühne und im Konzertsaal beschäftigen müssen. Wir werden über Sicherheitskonzepte weiterhin nachdenken und uns über Zuschauerströme Gedanken machen müssen. Was das Ganze auf das Konzertverhalten unseres Publikums und auf die jüngeren Schichten, die wir in der nächsten Saison mit neuen Formaten ansprechen wollen, haben wird, können wir noch nicht abschätzen. Wir schauen sicher mit einem anderen Fokus in die Zukunft, als wir es in der Vergangenheit gemacht haben. Auch die Frage der Konzertreisen und -tourneen wird unter einem ganz anderen Gesichtspunkt gesehen, als das noch vor der Corona-Zeit der Fall war.

 

Sie haben neue Formate angesprochen …

Wir beabsichtigen, Programme in Kooperation mit anderen Musikschaffenden in Basel zu realisieren. Es sollen dabei auch andere Musikgenres zum Zuge kommen, die Konzerte werden kürzer sein und sollen am Freitag oder am Samstag stattfinden. Mit diesen neuen Formaten wollen wir gezielt auch ein jüngeres Publikum ansprechen. 

 

Was fällt Ihnen zum Verein Freunde des Sinfonieorchesters ein?

Der Verein, der ja ursprünglich aus dem Orchester heraus entstanden ist, wird von Jahr zu Jahr grösser und er hilft uns in vielen Belangen. Unter Raphael Blechschmidt hat er eine Eigendynamik erhalten, die jetzt mit dem neuen Vorstand nochmals verstärkt wurde. Ursprünglich war das Orchester der Motor des Vereins. Inzwischen hat er eine Eigendynamik entwickelt, die es ihm erlaubt selbständig zu agieren. Er unterstützt uns materiell in vielen Projekten und gibt uns viele gute Ideen. Im gegenseitigen Wirken entstehen so ganz tolle Projekte wie die sowohl von Musikerinnen und Musikern, wie auch von den Mitgliedern des Vereins hoch geschätzten Musikerportraits oder die enorme Fülle von Ensemblekonzerten im Münster bei der Museumsnacht. Ich freue mich sehr über das sehr wertvolle Engagement des Vereins und die daraus entstehende Unterstützung für das SOB.

Herr Theurillat, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Ronald Wiedemann

 


Matyas Bartha

Nichts zu tun – von wegen

Kurzinterview mit Mátyás Bartha

 

Mátyás, stell dich unserem Freundeszirkel doch kurz vor.

Ich bin 2001 nach Basel zum Sinfonieorchester gestossen und spiele dort bei den 1. Violinen. Geboren bin ich in Siebenbürgen (Rumänien), wo ich auch meine Ausbildung zum Geiger gemacht habe. Musik hat in unserer Familie einen sehr grossen Stellenwert. Mein Vater war Solo-Oboist in Hermannstadt (Sibiu), alle meine Brüder sind Musiker und mit Musikerinnen verheiratet. Meine Frau Imola ist Pianistin. Sie begleitet u.a. oft Musikerinnen und Musiker bei ihren Probespielen beim SOB und sie spielt auch regelmässig bei der Museumsnacht. 

 

Die Situation für Künstler ist im Moment sehr schwierig. Wie erlebst du diese Zeit?

Während dem 1. Lockdown im letzten Frühling waren wir Orchestermusiker noch zu Hause. Es fanden keine Orchesterproben statt. Die Situation hat sich jetzt geändert. Gefühlsmässig haben wir im Dezember ca. 50% unserer Dienste (Proben) gespielt. Im Januar arbeiten wir praktisch 100%. Wir probten letzte Woche zum Beispiel für das Stadttheater die Oper Traviata und das Ballett Giselle. Als nächstes bereiten wir das Konzert vom 21. Januar vor. Wir spielen dann Weinbergs Sinfonie Nr. 3 und die 4. Sinfonie von Beethoven. Da das Konzert ohne Publikum stattfinden muss, wird ein Audio-Livestream (21.1. um 19:30 Uhr) gesendet.

Anstelle von zwei weiteren Konzerten spielen wir nachher zwei CD’s ein. Die erste CD mit verschiedenen Werken des 1950 verstorbenen französischen Komponisten Charles Koechlin und die zweite CD mit Stücken von Camille Saint-Saëns wie z.B. Phaéton und La Jeunesse d’Hercule.

Ob mit Publikum oder nur mit Mikrofon – wir Musikerinnen und Musiker bereiten uns absolut genau und seriös vor, um dann bei der Liveübertragung oder beim der CD-Aufnahme das Bestmögliche abzuliefern. Wir sind da sehr ehrgeizig und professionell – und dann macht es uns auch Spass.

 

In den letzten Monaten hattest du ja weniger Dienste und mehr Zeit für dich. Wie hast du sie verbracht?

Um ajour zu bleiben, muss man natürlich viel üben. Ich habe die Zeit benutzt um an meinen Schwächen zu arbeiten. Ich habe Dinge geübt, für die ich normalerweise nur wenig Zeit hatte. Ich schätzte, dass ich in der Zeit frei war und ich üben konnte, wann ich wollte. Darüber hinaus habe ich für meine Freunde einer irischen Band einige Transkriptionen geschrieben. Das hat mich Zeit gekostet, aber auch viel Freude bereitet. Im Herbst waren auch noch kleinere Kammermusikkonzerte mit Formationen aus dem SOB möglich. Zum Beispiel führte ich mit Orchesterkollegen BélaBartók’s Kontraste für Klarinette, Violine und Klavier und das Sextett von Ernö Dohnanyi auf.

Und … natürlich freue ich mich auch auf die Zeit, wo wir wieder unbeschwert unsere Konzerte mit Publikum spielen können.

Das Gespräch führte Ronald Wiedemann

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