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Von der Stiftung Basler Orchester zum Sinfonieorchester Basel

1989 übernimmt die neu gegründete Stiftung Basler Orchester die beiden Orchester der BOG. Während neun Jahren bestehen das Basler Sinfonie-Orchester und das Radio-Sinfonieorchester Basel noch als individuelle Klangkörper, bis sie 1997 zum Sinfonieorchester Basel fusioniert werden. Nach einer Phase der Neuorientierung emanzipiert sich das Sinfonieorchester Basel 2012 von seiner langjährigen Veranstalterin AMG und tritt seither in künstlerischer und unternehmerischer Eigenverantwortung auf.

1989

Der Basler Instrumentenkrieg

Wie verhärtet die Fronten in der Basler Musikwelt rund um die Ablösung der BOG waren, zeigt eine Episode, die als ‹Instrumentenkrieg› in die Geschichte einging: Im Laufe ihrer Geschichte war die BOG zu einem eindrücklichen Instrumentenbestand gekommen – Kontrabässe, Tuben, vor allem aber grössere oder seltene Schlaginstrumente. Bei der Übergabe der Orchester an die Stiftung ging vergessen, die Eigentumsfrage dieser Instrumente zu klären. Das Erziehungsdepartement war der Meinung, diese gehörten der Stiftung, da sie aus Subventionsgeldern gekauft worden seien. Die BOG sah das anders: Die Instrumente seien entweder Geschenke vom Mäzen Paul Sacher oder aus den erwirtschafteten Überschüssen erworben worden. Nach einem öffentlich und juristisch ausgefochtenen Schlagabtausch landete die Sache vor Gericht. Die BOG erhielt vollumfänglich Recht. 1993 übernahm die Stiftung Basler Orchester die Instrumente der BOG für rund eine halbe Million Franken. Im Bild: Glocken für Berlioz' Symphonie fantastique aus dem Instrumentenbestand des Orchesters, gestiftet von Paul Sacher.

Eine Stiftung löst die BOG ab

In den späten 80er Jahren bringen verschiedene Probleme die BOG und ihr Orchester-Tandem ins Wanken. Zum einen macht die SRG, die das Radio-Sinfonieorchester wesentlich mitträgt, Sparabsichten deutlich, zum anderen sollen nach Ansicht des Kantons Basel Stadt die Einnahmen durch die Interpretenrechte nicht mehr den Musikern, sondern der Orchesterträgerin zukommen und schliesslich ist der Stadtkanton bestrebt, die Kulturausgaben zu senken. Die Basler Regierung schlägt vor, die beiden Orchester in eine staatsnahe Stiftung zu überführen. Die BOG leistet Widerstand, ist jedoch nicht in der Lage, die notwendigen Reformen einzuleiten. Während fast zwei Jahren tobt eine erbitterte Auseinandersetzung über die Zukunft der Orchesterträgerschaft. Die Fronten laufen quer durch die politischen Parteien und die beiden Orchester. Am 25. September 1988 entscheidet eine Volkstabstimmung mit äussert knappen Ausgang zugunsten der Stiftungs-Lösung. Fortan ist die Stiftung Basler Orchester Trägerin der beiden Orchester. Die BOG, welche das Orchesterleben in Basel während fast 70 Jahren gestaltete, steht ohne Orchester da.

1994

Walter Weller

Walter Weller (1939-2015) war in jungen Jahren Konzertmeister der Wiener Philharmoniker und gab 1966 sein Debut als Dirigent. Es folgten Engagements als Chefdirigent bei den Duisburger Sinfonikern, dem Niederösterreichischen Tonkünstlerorchester, dem Royal Liverpool Philharmonic Orchestra, dem Royal Scottish National Orchestra und nach seinem Basler Engagement zwischen 1994 und 1997 beim Belgischen Nationalorchester. Für Dezember 2015 war im Rahmen eines Gastkonzerts mit den Orchestre philharmonique de Strasbourg ein Wiedersehen Wellers mit dem Basler Publikum geplant. Es wird leider nicht mehr stattfinden. Walter Weller starb am 14. Juni 2015 in Wien.

Interludium

Nachfolger des zurückgetretenen Horst Stein wird 1994 der österreichische Geiger und Dirigent Walter Weller. Weller wird zugleich für zwei Produktionen jährlich beim Theater Basel verpflichtet, muss von diesem Engagement aber bereits nach zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten. Ein Jahr später – im Hinblick auf die Fusion der beiden Basler Orchester – zieht sich der Dirigent dann auch als künstlerischer Leiter der AMG zurück, bleibt dem Basler Orchester jedoch als Gastdirigent erhalten. Wellers Programme in Basel zeichnen eine ausgesprochene Vorliebe für die Musik slawischer Komponisten, allen voran Antonín Dvořák.

1997

Mario Venzago

Der in Zürich geborene Mario Venzago war zunächst Konzertpianist, bevor er sich dem Dirigieren zuwandte. Er war Generalmusikdirektor der Stadt Heidelberg und später unter anderem Chefdirigent der Deutschen Kammerphilharmonie, der Grazer Oper, des Baskischen Nationalorchesters San Sebastian und des Schwedischen Nationalorchesters Göteborg. Nach seiner Demission in Basel war Venzago 2002 bis 2009 Musikdirektor des Indianapolis Symphony Orchestra. Seit 2010 ist er Chefdirigent des Berner Symphonieorchesters.

Aus zwei mach eins: Das Sinfonieorchester Basel

Mitte der 90er Jahre macht der Kanton Basel-Stadt Sparabsichten im Kulturbereich deutlich. Im Visier steht vor allem das kostspielige Orchestertandem der Stiftung Basler Orchester. Die Stiftung entscheidet sich für eine Zusammenlegung der beiden Orchester, verbunden mit einem sukzessiven Stellenabbau. 1997 ist die Fusion Tatsache: Das neue Orchester heisst Sinfonieorchester Basel. Die schwierige Aufgabe, aus ihm einen homogenen Klangkörper zu Formen, wird dem Schweizer Dirigenten Mario Venzago anvertraut. Wie schon seine Kollegen vor der Fusion ist auch er nicht Chefdirigent des Orchesters, sondern ‹nur› künstlerischer Leiter der AMG. Es ist eine Konstellation, die zusehends zur Belastung wird und unter anderem auch zum Abgang Venzagos im Jahr 2002 führt. Allen Schwierigkeiten zum Trotz ist die künstlerische Bilanz der Ära Venzago spannend: Das Repertoire wird erweitert und Venzago verleiht dem Orchester entscheidende Impulse. Internationale Beachtung finden die Einspielungen der Sinfonien von Robert Schumann.

2003

Marko Letonja

Marko Letonja schloss seine Studien an der Musikakademie Ljubliana 1989 ab und wurde zwei Jahre später Musikdirektor der slowenischen Philharmonie Ljubliana. In den 90er Jahren begann seine internationale Laufbahn, unter anderem mit Engagements bei den Wiener Symphonikern und den Münchner Philharmonikern. Nach seiner Zeit in Basel leitete Letonja verschiedene australische Orchester. 2012 wurde er Chefdirigent des Orchestre philharmonique des Strasbourg.

Ein Generalmusikdirektor

Nach dem Rücktritt von Mario Venzago als künstlerischer Leiter der AMG wird der Slowene Marko Letonja der erste Chefdirigent des Sinfonieorchesters Basel und zugleich Musikdirektor des Theater Basel. Am Theater leitet er zwischen 2003 und 2006 Neuproduktionen von Tannhäuser, La Traviata, Der Freischütz, Boris Godunow, Tristan und Isolde, Rigoletto und Don Giovanni. Das diskographische Vermächtins seiner Zusammenarbeit mit dem Sinfonieorchester Basel sind die vielbeachteten Einspielungen der sinfonischen Werke seines Vorgängers Felix Weingartner (siehe 1927). Nach nur drei Jahren tritt Letonja von seinen Ämtern in Basel zurück.

2007

Die Studie von IMG Artists

Der – wiederholten – Neustrukturierung der Basler Orchesterlandschaft im Jahr 2007 war eine vom Basler Erziehungsdepartement in Auftrag gegebene Studie von IMG Artists vorausgegangen. Unmissverständlich kam darin zum Ausdruck, woran das Sinfonieorchester Basel zu dieser Zeit krankte: «Ein Sinfonieorchester von künstlerisch verbesserungsfähiger Qualität, ohne eigene Identität, fremdbestimmt durch Theater und AMG, ohne Ausstrahlung über Basel hinaus, für Sponsoren uninteressant.»

Der Schulterschluss

Am 2. November 2006 verkünden die Veranstalterin AMG und die Orchesterträgerin Stiftung Basler Orchester einen ‹Schulterschluss› der beiden Institutionen: Die AMG übernimmt ab 2007 die gesamte operative und künstlerische Führung des Sinfonieorchesters Basel und erklärt sich somit verantwortlich für die Positionierung des Klangkörpers sowie die Vermittlung von auswärtigen Auftritten und Aufnahmen. Man hofft, dass damit die jahrelangen Querelen zwischen der AMG und der Stiftung ein Ende haben. Während der zuständige Basler Regierungsrat von einem «Durchbruch» spricht, äussern sich andere Stimmen skeptisch: «Die Basler Kulturpolitk hat sich hier über den Tisch ziehen lassen», schreibt der Musikwissenschaftler und Journalist Michael Kunkel in einem Kommentar in der ProgrammZeitung.

2009

Dennis Russell Davies

Dennis Russell Davies wurde in Toledo (Ohio) geboren und studierte Klavier und Dirigieren an der New Yorker Juilliard School. Er war unter anderem Chefdirigent des Saint Paul Chamber Orchestra, des Radio-Symphonieorchesters Wien, des Stuttgarter Kammerorchesters sowie Professor am Mozarteum Salzburg. Nach seinem Debüt bei den Bayreuther Festspielen dirigierte er bei den Salzburger Festspielen, dem Lincoln Center Festival New York, der Houston Grand Opera, der Hamburger Oper, der Bayerischen Staatsoper, der Lyric Opera of Chicago, der Metropolitan Opera New York und der Opéra National de Paris und dem Teatro Real in Madrid. Seit 2002 ist Dennis Russell Davies Chefdirigent des Bruckner Orchesters Linz. Sein Vertrag mit dem Sinfonieorchester Basel wurde 2014 um zwei Jahre verlängert.

Ein Amerikaner in Basel

Nach drei langen Jahren hat das Sinfonieorchester Basel 2009 wieder einen Chefdirigenten: Dennis Russell Davies. Der österreichisch-amerikanische Pianist und Dirigent setzt von Beginn weg deutliche Akzente. Zeitgenössische Musik ist ihm ein Anliegen, insbesondere jene amerikanischer Komponisten der Minimal Music-Generation. Nicht immer stösst er damit beim Publikum und der AMG auf Gegenliebe. Doch die Akzeptanz wächst – spätestens nach der Loslösung von der AMG als Veranstalterin (siehe 2012). Davies versteht es hervorragend, sein Publikum (und auch das Orchester) bei seinen musikalischen Abenteuern zu Komplizen zu machen. Diskographisch setzt er mit dem Sinfonieorchester Basel wichtige Schwerpunkte: Gesamteinspielungen der Sinfonien Franz Schuberts und Arthur Honeggers, Einspielungen mit den grossen Balletten von Igor Strawinsky sowie zwei CDs mit Sinfonien von Philip Glass.

2012

Ein Orchester im Aufbruch

Die Loslösung von der AMG als Veranstalterin war für das Orchester auch über die Abonnementskonzerte hinaus befreiend. Seither entstanden mehrere neue Konzertformate (Cocktailkonzerte, Schwarz auf Weiss, Cube Session etc.), es wurden diverse CD-Projekte unter dem hauseigenen Label in Angriff genommen und Ausland-Tourneen machen das Orchester zusehends auch international zu einem Begriff.

Endlich: Eine eigene Konzertreihe

Unter Dennis Russell Davies hat sich das Orchester ein unüberhörbares künstlerisches Profil erarbeitet. Der AMG hingegen gelang es auch vier Jahre nach der Übernahme der Gesamtverantwortung (siehe 2007) nicht, die regionale und internationale Positionierung des Orchesters zu stärken. Als die AMG wegen rückläufiger Publikumszahlen ankündigt, ab der Saison 2012/13 die Konzerte mit dem Sinfonieorchester nicht mehr doppelt zu führen, sehen sich die Stiftung Basler Orchester (seit 2009 unter dem Präsidium der ehemaligen Basler Regierungsrätin Barbara Schneider) und das Orchestermanagement zum Handeln gezwungen. Es wird beschlossen, die Abonnementsreihen fortan ohne die AMG und in künstlerischer und unternehmerischer Eigenverantwortung zu veranstalten. Der Knackpunkt dabei: Da die Abonnenten der Sinfonieorchester-Konzerte Abonnenten der AMG sind, muss das Orchester seinen Abonnentenstamm von Grund auf neu aufbauen. Doch das Unterfangen gelingt. Nach einer anfänglichen Durststrecke sind die Sinfoniekonzerte des Sinfonieorchesters Basel heute deutlich besser besucht als in den Jahren vor 2012.

2014

More than Minimal-Tour

Im April 2014 unternimmt das Sinfonieorchester Basel zusammen mit seinem Chefdirigenten Dennis Russell Davies eine ausgedehnte England Tournee. Das Repertoire ist ungewöhnlich: Im Gepäck sind ausschliesslich Werke von Philipp Glass, Michael Nyman, John Adams und Arvo Pärt. Drei Konzerte spielt das Orchester im Rahmen eines Festivals in der Londonder Cadogan Hall, vier weitere Konzerte an anderen Orten. Die Reaktionen der englischen Presse sind begeistert: «Minimalist works maximise power» (The Guardian), «A fabulous ride» (The Telegraph), «The audience responded with rapture to the performance given by the excellent Basel Symphony Orchestra and its skilled conductor.» (Classical Source)

2015

Far East-Tour

Im März 2015 reist das Sinfonieorchester Basel bereits zum dritten Mal in den fernen Osten. 2015 ist auch Chefdirigent Dennis Russell Davies mit dabei und dirigert Konzerte in Peking, Shanghai und Tongyeong. Als Solisten treten Fazil Say und Yumi Hwang-Williams auf, gespielt werden Werke von Werke von Mozart, Beethoven, Hindemith, Strawinsky, Bernstein, Isang Yun und Chén Yí. Die Begeisterung des chinesischen und koreanischen Publikums ist riesig.

2016

Wir bespielen die Stadt - mit Ivor Bolton

Der Sommer 2016 markiert für das Sinfonieorchester Basel eine Zäsur: Mit einem neuen Chefdirigenten stellt es sich der Herausforderung des Stadtcasino Erweiterungsbau. Als Nachfolger von Dennis Russell Davies, welcher von 2006 bis 2009 an der Spitze des Orchesters stand, wird der Brite Ivor Bolton gewählt. Erster Gastdirigent wird der Pole Michał Nesterowicz. Die Hauptspielstätte des Orchesters, das Stadtcasino Basel wird während dreier Jahre renoviert. Das Sinfonieorchester Basel veranstaltet seine Sinfoniekonzerte ab Sommer 2016 im Basler Münster, Theater Basel und Musical Theater Basel. Die Programme werden auf die Konzertorte abgestimmt. Auf den Beginn der Saison 2020/21 werden die Konzerte wieder wie gewohnt im Stadtcasino stattfinden.

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